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Freitag, 20. Dezember 2013

Kulinarische Philosophie des Schenkens


Weihnachten steht vor der Tür. Mario, was macht das Fest-Menü? Alles gut, Marinella, endlich. Und? Simple Vorspeise: Lachs auf einem Salatbouquet von dreierlei Chicorée. Der Hauptgang: Rehragout. Die Zutaten: wie ein Mikrokosmos auf dem Teller! Reh, Maronen,  Preiselbeeren -   kommt alles mehr oder weniger aus dem Wald. Und Reh ist ein klassisches Weihnachtsessen. Schau Maria, technisch, also anatomisch betrachtet ist es ein herrliches Wintergericht – ein Geschenk der Natur, das unseren Respekt verdient. Symbolisch aber steht es für die Moral: Ein Reh ist die Verkörperung von Sanftmut, Maria, von Unschuld.  Als würde es uns sagen, dass es Zeit ist, mit uns selbst und mit unseren Freunden freundlich und – ja, sanft umzugehen.

So viel Ethos beim Essen, Mario? Ja, Maria, gerade da. Denn das Weihnachtsessen ist auch Respekt: vor christlichen Traditionen, vor sich selbst und vor anderen. Essen ist nur eine Komponente auf diesem Weg. Und welchen Weg meint er nun?

Ganz einfach, Maria, die Assoziation liegt auf der Hand. Ach ja? Ja! Und dann sagt Mario wieder so einen Satz, den man in ein Sammelbändchen schreiben sollte. Geschenke, Maria, sind ja nichts weiter als ein Bild dafür, dass man sich seiner Verpflichtung bewusst ist. Aber Mario, widerspricht nicht schon das Wort Verpflichtung dem Sinn des Schenkens? Gar nicht, Marinella! Letztlich bedeutet es doch nur, dass wir unserer Verpflichtung nachkommen, die Dinge zu tun, die wir jeden Tag tun sollten: Schenken heißt, Werte zu spüren - nicht zu verlangen, sondern zu geben. Es hat mit Anstand, mit Respekt und mit Liebe zu tun.

Und noch während ich innerlich lächeln muss, weil es ist wie immer und wir übers Essen auf das Leben im Allgemeinen und die wesentlichen Werte im Besonderen gekommen sind, steht ein Teller vor mir – eigentlich zu schön zum Essen. Generalprobe also! Und? Ach, was soll ich sagen: Unendlich zartes Fleisch, umhüllt von winterlichen Aromen - die erste Berührung am Gaumen schon eine Explosion. Und die Zusammenfassung unseres Gesprächs. Ja, Mario, Du hast recht. Essen ist Respekt und Liebe und Geschenk. Und dieses hier ein Wegweiser direkt ins Paradies. Ja, Marinella, der Weg ...


Rehragout mit Maronenpüree, Wildpreiselbeeren, Rosenkohl und Meerrettichschaum

Für 4 Personen

Für das Rehragout:
200 g Rehragout, 1,5 cm Würfel
600 g Wildparüren und -knochen
½ Karotte
60 g Sellerie
¼ Stange Lauch
400 ml roter Portwein
200 ml Rotwein
2 EL Tomatenmark
2 l Wildfond oder Wasser
50 ml Madeira
Gewürzbeutel (Wacholder, Pfefferkörner, Nelke, Piment)
Salz, Pfeffer
getrocknete Pilze
Rosmarin
Butter
Preiselbeermarmelade
Speisestärke

Wildparüren und Knochen in einem flachen Kochgeschirr bei hoher Temperatur mit etwas Sonnenblumenöl anrösten. Karotte, Sellerie und Lauch in Würfel schneiden und in den Topf geben. Das Gemüse anrösten bis sich am Topfboden ein leicht brauner Ansatz bildet. Mit etwas Rotwein und rotem Portwein ablöschen. Den Wein vollständig reduzieren, bis das Bratöl wieder hervortritt und sich erneut ein leichter Röstansatz am Topfboden bildet. Erneut ablöschen und den Vorgang 2-3-mal wiederholen. Im Anschluss das Tomatenmark hinzugeben, dieses kurz anrösten und nun mit Wildfond und Madeira aufgießen. Den Gewürzbeutel hinzugeben und den Fond auf 1/3 reduzieren. Zum Schluss ein Paar getrocknete Pilze und Rosmarinzweige darin ziehen lassen. Mit Salz, Pfeffer und Preiselbeermarmelade kräftig abschmecken, mit etwas angerührter Speisestärke abbinden und durch ein feines Sieb passieren. Bis zu weiteren Verwendung in einem kleinen Topf warm halten.
Die Rehragoutwürfel mit einem sauberen Küchentuch trockentupfen, mit Salz und Pfeffer würzen und in einer großen Pfanne bei starker Hitze mit etwas Butter von allen Seiten anbraten. Das Ragout aus der Pfanne nehmen, kurz abfetten und für 1 Minute in die Sauce legen. Im Anschluss sofort servieren.

Für das Maronenpüree:
1 l Wasser
Salz, Zucker
400 g Maronen, geschält
100 ml Crème double
Kirschwasser

Das Wasser zusammen mit etwas Salz und Zucker aufkochen lassen, die Maronen hineingeben und im wallenden Wasser weich garen. Sobald sich diese leicht mit den Fingern zerdrücken lassen, das Wasser abseihen und die Maronen zusammen mit der Crème double und einem Spritzer Kirschwasser in der Küchenmaschine fein mixen.

Für den Meerrettichschaum:
1 Schalotte, fein gewürfelt
80 g Meerrettich
100 ml Weißwein, trocken
200 ml Sahne + 50 g Butter
Butter
Salz, Pfeffer

Den Meerrettich schälen und in grobe Stücke schneiden, zusammen mit den Schalottenwürfeln in etwas Butter anschwitzen. Mit dem Weißwein ablöschen und diesen auf die Hälfte reduzieren. Sahne einfüllen, kurz aufkochen lassen und die Butter einmixen.  Mit Salz und Pfeffer abschmecken und fein passieren. Kurz vor dem Anrichten mit einem Stabmixer an der Oberfläche der Sauce schöne Schaumblasen bilden.

Dazu empfehlen wir blanchierte und in Butter angeschwitzte Rosenkohlblätter, sowie süßlich -säuerliche Wildpreiselbeermarmelade. 

Freitag, 6. Dezember 2013

Deutsch-italienische Weihnachtsfusion


Es ist der 4. Dezember, Barbaratag. Die Stadt ist zu voll. Nicht zuletzt wegen der gefühlten Millionen von Italienern, die anscheinend vergessen haben, dass sie eine schöne Heimat haben. Angenehme Schlussfolgerung aus beidem: Ein kleiner Abstecher zu Mario. Über dessen Küche liegt, ich kann es deutlich riechen: Der Duft nach Apfel, Zimt, Mandeln … Bratäpfel? Aber natürlich, sagt Mario, warum nicht? Weil ich in einem italienischen Restaurant die Vision habe von einer formidablen Zabaione, von explosiven Fruchtpürees, von feinster Macedonia. 

Warum, Maria, fragt Mario, warum aber glaubst Du, sind gerade jetzt so viele Italiener in München? Sie lieben die deutsche Weihnacht. Weil sie die Adventszeit so nicht kennen. Sie fahren nach München, Nürnberg, Stuttgart, auch nach Innsbruck und Salzburg, überall dorthin, wo Advent und Weihnacht zelebriert wird – der Mensch liebt, was ihm fehlt. Du auch? Ja, Marinella, ich auch. Für mich ist das Sinnbild für Weihnachten in Deutschland der Bratapfel. Rosinen, Zimt, Mandeln, Nüsse, Marzipan … Es ist ein Bild: Die Äpfel babbeln im Ofen, wechseln ihre Farbe von dunkelrot in ein unscheinbares Braun – mit nur wenig unscheinbarer Wirkung. Der Duft der Bratäpfel erobert sich alles, zieht in jeden Winkel des Hauses – himmlisches Raumspray. 

Und weißt Du, fährt Mario fort, woher der deutsche Brauch mit dem Bratapfel kommt? Von den guten Äpfeln, vermute ich mal, und dem zugehörigen Zimt-und-Zucker-Zauber der Deutschen. Aber nein, klärt mich Mario auf: Er symbolisiert den Wohlstand und die Großzügigkeit des heiligen Nikolaus, der an die Armen abgibt und damit Vorfreude verteilt. Der Mensch ordnet sich ein, kommt runter. Und er lächelt, weil er beschenkt wird. Und ich schenke eben kulinarisch, Maria, Bratäpfel zum Beispiel. Zum Nikolaustag? Auch, ja, aber vor allem an Weihnachten, wenn die Familie am Tisch sitzt. Und ganz ehrlich: Der Plan für Vor- und Hauptspeise fürs Weihnachtsmenü ändert sich noch täglich. Das Dessert steht: Bratäpfel. 





Und die kulinarischste aller Nationen hat keine vergleichbare Weihnachtstradition? Aber doch, natürlich – den Panettone. Und selbstverständlich weiß Mario mehr dazu: Es war im 12. Jahrhundert, Maria, da ließ ein Mailänder Bäcker namens Antonio das Brot anbrennen.  Er rettete den Teig und veredelte ihn mit Eiern, kandierten Früchten, Zimt, Honig, usw. Aus dem italienischen „Il pane di Antonio“, also Antonios Brot, wurde über die Jahre der Panettone – der klassische italienische Weihnachtskuchen. Der bereits sprichwörtlich verewigt ist: So lautet die Frage, ob sich jemand in seinem Amt halten wird, z.B. ein neuer Fußballtrainer, „ob er Panettone zu Weihnachten essen kann“.

Und was ist das Besondere an Panettone, Mario? Dasselbe wie beim Bratapfel, Maria. Es ist die weihnachtliche Choreographie der Düfte, die darin steckt, und verantwortlich ist für die Vorfreude: Hefe, Honig, Zimt, Zitrusfrüchte … 

Also backst Du jedes Jahr zu Weihnachten Panettone? Nein, Maria, auch ich kaufe sie: Tre Marie oder Motta haben sehr gute Qualität. Und natürlich hat jeder seine eigene Art, sie zu essen. Ich pack sie im Ganzen bei 120 Grad ein paar Minuten in den Ofen, dann schmeckt sie schon köstlich. Aber Mario veredelt weiter, klar: Vierteln und toasten, Maria, darauf ein bisschen Hagebuttenmarmelade – so schmeckt Weihnachten. Man kann auch Zitronen- oder Orangenmarmelade nehmen, das ist Geschmackssache. Aber versprochen: Das ist wie eine Grammatik des Geschmacks – die Gefühle weckt, und das Fühlen. Gefühle und Fühlen? Ja, Maria, genau so. Natürlich! So ist Mario. Ohne jenen feinen Hauch von Philosophie übers Essen wäre alles nur halb so schön! 






Bratäpfel mit Vanillesauce
 
Für 6 Personen
 
Für die Äpfel:
12 Nikolausäpfel
200 g Marzipan
50 g Mandeln, gehobelt
50 g Rosinen
Zimt
Amaretto
Brauner Rum
200 ml Apfelsaft
50 g Honig
 
Die Äpfel waschen und mit einem Kerngehäuseausstecher ausstechen.
Marzipan, Mandeln, Rosinen, Rum, Amaretto und Zimt verkneten und in die Äpfel füllen.
Die Äpfel in eine Auflaufform setzen und mit Honig und Saft übergiessen, bei 150°C ca. 45 Minuten backen.
 
Für die Vanillesauce:
 
1 L Vollmilch
120 g Zucker
1 Vanilleschote
20 g Stärke
5 Eigelbe
 
Die Stärke mit etwas Milch verrühren und die Eigelbe dazugeben, währenddessen die Milch mit der Vanilleschote und Zucker aufkochen und mit der Stärkemischung abbinden, aufkochen lassen und durch ein feines Sieb passieren.



Dienstag, 3. Dezember 2013

Endlich!

Endlich also: das Acquarello-Blog. Längst sollte es hier stehen, wir haben schon vor so langer Zeit Pläne dafür geschmiedet.

Und woran lag's?

An purer Entscheidungsnot! 
Die kleinen Differenzen – so man mit diesem Mann überhaupt welche haben kann – gingen um nichts weniger als darum, wer denn nun Verfasser des Blogs sein soll. 

ER, Mario Gamba, leider nicht eitel genug, um sich selbst zu Wort zu melden, oder ICH, als Ghostwriter, als Talkpartner, als was auch immer. Weil man auf dem Acquarello-Blog aber vermutlich Interesse haben könnte, vom Padrone selbst zu lesen – zumal er ein echter Philosoph ist – , will ich nun hier an dieser Stelle sein Alter Ego werden, also Maria. Beziehungsweise Marinella, die noch freundlichere Variante von Maria. Ich werde ihm zuhören, ihn fragen, bei ihm stillsitzen und mit ihm unterwegs sein, um dann all die wunderbaren Dinge, die er erzählt über Land, Leben, Leute, über Essen und Trinken und übers Reisen, kurzum, über alles, was er gerne mit Menschen teilt, aus erster Hand auszuplaudern. 

Machen wir uns also auf in die Welt der Genüsse, der Lebenskunst und der wunderbaren Weisheiten, die einer zu sagen hat, der sich darauf versteht.