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Freitag, 28. Februar 2014

Der Landschaftskoch

Seit gestern erst zurück aus Marrakech – und um es mal poetisch zu sagen: trunken von den Farben, vom Duft, vom Geschmack, und ja, selbst von den Tönen der Medima, auch wenn die laut sind – immerhin aber halten sie europäische Zeiten eher ein als die Muezzins, die sich respektlos und indiskret zu nachtschlafender Zeit an meinem Bettende die Seele aus dem Leib gesungen haben. Ein sinnlicher Zirkus ist das da. Man wohnt wie eine Prinzessin, essen kann man aber: wie eine Königin: Tajine vom Hühnchen mit Salzzitronen, Méchoui, Touajen vom Lamm, Pastilla,  Djaja Mahamara … Im Anschluss allerdings ist eine Diät dringend notwendig. Meine Empfehlung: Cucina del sole von Mario. Klappt immer, ganz ehrlich. Weil man danach so zufrieden ist.

Mario war auch zufrieden, ich hab ihm Ras el-Hanout mitgebracht, weil: Ein bisschen neidisch war er ja schon auf meine Reise. Aber: Was macht er nun damit? Visionen zaubern, erst mal: Kochen ist eine der schönsten Komponenten einer Kultur, sagt er, es ist wie eine Landschaft, die man mit ihren typischen Gerüchen und ihrem unverwechselbaren Geschmack in der Küche fast spürbar werden lassen kann. Ja, man kann sich natürlich auch an Worten satt essen. Kurzfristig, versteht sich! Also was nun? Es ist nicht meine Kultur, Marinella, sagt er, drum bin ich zurückhaltend, das Gewürz hat das Sagen. Und so reibt er ein Hühnchen mit dieser sensationellen Gewürzmischung ein, die so heißt, wie sie heißt (Kopf, also Chef des Ladens), weil nur der die Wundermischung kennt. Etwa 25 verschiedene Gewürze sind drin, von bitter über süß bis scharf, angeblich soll auf der Zutatenliste auch die Spanische Fliege stehen, ein getrockneter und gemahlener Käfer, der als Aphrodisiakum im Lexikon steht. Also, auf eigene Gefahr bzw. je nach erhofftem Verlauf des Abends ein Hühnchen oder dessen Brustfilet zubereiten und auf Basmatireis servieren. Viel mehr muss nicht sein, Maria. Oder du würzt ein Taboulé damit ­– Couscous mit Koriandergrün, Paprika, Gurke, Tomate – ach, eigentlich allem an Gemüse, was da ist. Ich verrat ihm indes, was ich vor Ort gelernt habe: In Butterschmalz oder Ghee gebratene Spiegeleier mit Ras el-Hanout machen einen müden Sonntagmorgen sehr, sehr munter! Und auch auf Orangen-Carpaccio schmeckt es ebenfalls sehr, sehr fein! Was sagt man dazu? Maria, sagt Mario, das ist großartig! Da hat er recht!




Poulardenbrust mit Ras el-Hanout-Couscous und Paprikaschaum

Für die Poulardenbrust:
4 Poulardenbrüste
Salz, Pfeffer, Olivenöl

Für den Couscous:
120 g feiner Couscous
½ rote und ½ grüne Paprika, enthäutet, entkernt und fein gewürfelt
1 EL Olivenöl
3 g Ras el-Hanout

Für den Paprikaschaum:
1 Schalotte
2 rote Paprikaschoten
400 ml Gemüsefond
300 ml Rahmsahne
etwas Olivenöl

Zum Anrichten:
Fingermöhren

Poulardenbrüste von der Haut befreien, würzen. Mit Olivenöl in einer Grillpfanne grillen, nach ca. 1 Minute die Brüste etwas drehen, so dass ein Muster entsteht. Wenden und vom Grill nehmen im vorgeheizten Backofen bei 180°C ca. 8 Minuten saftig garen.

Den Couscous in eine Kasserolle mit kochendem Wasser (100 ml) schütten, salzen und zugedeckt zehn Minuten quellen lassen. Die Paprikawürfel dazugeben, den Couscous mit einer Gabel auflockern und das Olivenöl unterrühren. Ganz zum Schluss den Topf von der Flamme nehmen und erst dann das Ras el-Hanout hineingeben, sonst werden ungewollte Bitterstoffe freigesetzt. Das Ras el-Hanout umrühren und den Couscous ca. 3 Minuten ziehen lassen.

Die Schalotte und Paprika schälen und in kleine Stücke schneiden. Die Schalotten in einem hohen Topf mit Olivenöl glasig dünsten. Die Paprikastücke hinzugeben und ebenfalls kurz andünsten. Mit dem Gemüsefond aufgießen und auf die Hälfte einkochen lassen. Die Sahne zugeben und noch einmal aufkochen lassen. Mit einem Stabmixer fein pürieren und durch ein Sieb streichen. Mit Salz, Pfeffer und eventuell etwas Zucker abschmecken.

Die Möhrchen tournieren und kurz blanchieren.

Den Couscous in rechteckiger Form auf einen Teller anrichten. Die gegrillte Poulardenbrust mit Kräuter-/Chiliöl bestreichen und darauf setzen. Die Fingerkarotten mit Olivenöl und Meersalz abglänzen. Dekorativ neben den Couscous setzen. Ras el-Hanout linienförmig auf den Teller streuen und mit rotem Paprikaschaum kleine Tupfer auf den Teller setzen.

Freitag, 14. Februar 2014

Unser Mann aus Bergamo

Mario hat mich eingeladen. Maria, fragt er, kannst Du früh aufstehen? Kommt darauf an, wofür, sag ich. Und als hätte er nicht gewusst, dass er mich damit auch zu nachtschlafender Zeit kriegt, notfalls auch schlafwandelnd: Großmarkthalle, Donnerstag, 7 Uhr. Also: Nichts lieber als das! Und ich sehe mich schon Kisten schwingen – Großeinkauf fürs Acquarello. Aber: von wegen! Die Mengen sind erstaunlich überschaubar. Aber Maria, sagt er, zu viel einzukaufen, das wäre doch, als würde ich Geld wegwerfen. Tatsächlich aber ist es eine Sache des Respekts vor den Produkten. Und, erklärt Mario weiter, so bin ich nicht gezwungen, darüber nachzudenken, ob ich am nächsten Tag eine Füllung aus den Sachen machen muss, die übrig bleiben. Ganz schön entspannt, denke ich mir, als er sagt, es sei bei ihm eher die Gefahr, dass die Produkte am Sonntag ausgehen. Was machst Du dann? Maria, das ist noch nie passiert, grinst er. Wenn ich daran denke, was bei mir so übrig bleibt, wenn ich große Einladung mache …


Aber jetzt geht Mario erst mal auf die Suche, wie jeden Montag und Donnerstag, immer mit ein, zwei Leuten aus der Küche. Und die wissen augenscheinlich sehr genau, was sie wollen. Mario hingegen schlendert, schaut, riecht, probiert. Aber eigentlich, so verrät er, während er in einen Apfel beißt, eigentlich such ich Maronenkartoffeln. Was nun, Mario, willst du Maronen oder Kartoffeln? Eins zu null für ihn – er will beides, in einem. Marinella, Du glaubst nicht, wie die schmecken. Ein Aroma, wie man es nur selten bekommt. Ja, aber anscheinend bekommt man sie selbst auf dem Großmarkt nur selten. Du musst nur dranbleiben, den Leuten immer wieder auf die Nerven gehen. Irgendwann hast du sie! Glaub ich ihm aufs Wort.


Das gleiche ist es mit den Bergamotten, sagt er und wechselt die Richtung – ich zum Glück an seine Fersen getackert. Da musste er wochenlang fragen, wieder und wieder. Und während ich mich bemühe, bei seinem Zickzackkurs (zum Glück wird er immer wieder begrüßt und umarmt und ins Gespräch verwickelt) mithalten zu können, sickert es langsam in meinen Kopf, was mich irgendwie beschäftigt hat: Natürlich will der Mann Bergamotten! Warum? Weil die beiden dieselbe Heimat haben: Bergamo. Klar! Und wir haben Glück! Bergamotten, sogar in Bio-Qualität. Und was macht er nun damit? Fürs Schnitzel (übrigens eines seiner Leibgerichte!) wird er sie nicht nehmen!


Also Maria, was glaubst du? Im Sommer: ein Sorbet natürlich, weil mehr Sommer bekommst Du nicht an den Gaumen. Und jetzt, Mario, was mach ich im Februar daraus? Eine kleine Offenbarung, Maria ­– Hummersalat mit Bergamotte-Mayonnaise. Ja, kann man machen, denke ich mir. Weil aber Mario nun mal so ist, wie er ist, lädt er mich noch einmal ein: zu sich ins Lokal, der Offenbarung wegen. Und kaum hab ich gewagt, dieses kleine blüten- und blätterverzierte Kunstwerk anzutasten, kaum zergeht das zarte Hummerfleisch, getunkt in Bergamotteschaum auf meiner Zunge, ahne ich den Himmel. Bis ich zur Mayonnaise vordringe, Moment ... da, schon wieder: Der Himmel, er kommt näher ...


Hummersalat mit Bergamotte-Mayonnaise


Für den Hummersalat:
4 Hummer, ausgebrochen und vorgegart
50 g Butter
Fleur de Sel
Kleine Sprossen und Blüten
Ingwerdressing
Bergamotte-Mayonnaise
Bergamottenschaum

Für die Bergamotte-Mayonnaise:
2 Eigelb
100 ml Sonnenblumenöl
50 ml Sahne
2 Limetten
Bergamottenabrieb
Salz

Für den Langustenfond:
200 g Langustenkarkassen
1 Schalotte
50 g Karotten
50 g Staudensellerie
1 EL Tomatenmark
½ EL Curry
½ Banane
2 Stangen Zitronengras
2 L Wasser

Für den Bergamottenschaum:
1 Schalotte
2 EL Noilly Prat
100 ml Weißwein
400 ml Langustenfond
200 ml Sahne
30 g Butter
Salz, Zucker
1 Bergamotte

Für das Ingwerdressing:
45 g Ingwer, geschält
12,5 g Zwiebel, weiß, geschält
7,5 g Staudensellerie, geputzt
32,5 g Sojasauce
32,5 g Japanischer Essig
150 g Pflanzenöl
Salz und Zucker

Für die Bergamotte-Mayonnaise die Eigelbe in eine Schüssel geben und nach und nach das Öl einrühren, die Sahne hinzugeben. Die Schale der Limetten abreiben, eine Limette auspressen und in die Mayonnaise geben (die andere Limette für den Salat beiseite legen). Mit Bergamottenabrieb und Salz abschmecken, kalt stellen.

Für den Langustenfond die Langustenkarkassen zusammen mit einer Schalotte, den Karotten und dem Staudensellerie anrösten. Tomatenmark und Curry  hinzugeben, kurz mit anrösten und mit Wasser aufgießen, die Banane und das Zitronengras hinzugeben. 40 Minuten köcheln und fein abpassieren.

Für den Bergamottenschaum die Schalotte anschwitzen, Noilly Prat und den Weißwein hinzugeben, alles einkochen bis nur noch die Schalotten übrig  sind. Dann mit Langustenfond aufgießen, aufkochen, die Sahne und die Butter untermixen. Am Schluss mit Salz, Zucker und dem Abrieb einer Bergamotte abschmecken.

Für das Ingwerdressing Ingwer, Zwiebel, Staudensellerie, Sojasauce, Essig und Öl fein mixen und mit Salz und Zucker abschmecken. Die Sprossen und Blüten damit marinieren.

Die übrige Limette schälen, filetieren und mit Olivenöl und Fleur de Sel marinieren. Den Hummer in gleichmäßige Medaillons schneiden und vorsichtig in der Butter erwärmen, mit Fleur de Sel würzen. Die Mayonnaise in die Mitte der Teller geben, je drei Limettenfilets darauf geben, den Hummer verteilen und mit marinierten Sprossen und Bergamottenschaum garnieren.